„Wir brauchen mehr Europa“

Der hessische Familienunternehmer Axel Ebbecke über die Bedeutung der EU-Parlamentswahl – und über das Mahlen von Pulver unter extremen Bedingungen

Ob Granulat für die Kabel-Industrie, Lichtschutz für die Sonnencreme oder  3-D-Drucker-Pulver aus Kunststoff, Keramik und Metall: Der Verfahrenstechnikspezialist A. Ebbecke in Bruchköbel entwickelt individuelle Maschinen und Anlagen, in denen Schüttgüter gemahlen, gemischt und auch abgepackt werden. Zunehmend produziert man für die Kunden sogar als Lohnunternehmen. aktiv sprach mit dem Inhaber Axel Ebbecke über ausgefallene Pulver und Pastillen und seinen Wunsch nach mehr Einheit in Europa.

Herr Ebbecke, in Kürze wird ein neues EU-Parlament gewählt. Wie stehen Sie als Unternehmer zu Europa?

Wir brauchen mehr und nicht weniger Europa. Ich hoffe deshalb bei den Wählern auf ein klares Bekenntnis zu Europa bei ihrer Stimmabgabe. Nur als Einheit haben wir eine Chance, uns auch in Zukunft in der Welt zu behaupten. Deshalb Ja zu Europa mit der Bitte an die Politik, dann auch an einer einheitlichen europäischen Gemeinschaft zu arbeiten, in der die vielen Nationalstaaten an einem Strang ziehen. Ich wünsche mir effizientere Strukturen und weniger Bürokratie, einheitliche Standards etwa bei den Energiekosten, bei Unternehmen- und Einkommensteuern und der Umsetzung von Gesetzen und Auflagen. Zudem brauchen wir eine einheitliche Außen- und Sicherheitspolitik. Gemeinsam kann man einfach mehr erreichen.

Gilt Ihr Credo „Gemeinsam kann man mehr erreichen“ auch für Ihr Unternehmen?

Ja klar. Alleine kann man schöne Ideen und Visionen entwickeln. Deren Umsetzung gelingt aber leichter mit einem guten Team und guten Partnern. Das habe ich schon in Schule und Studium erlebt, den verschiedenen, mein Studium begleitenden Stellen, als Vorstandsassistent und nicht zuletzt als Projektmanager bei einem großen Immobilienunternehmen. Bei der Gründung der Ebbecke Verfahrenstechnik vor über 20 Jahren hatte ich meinen Vater an der Seite. Er brachte seine große Erfahrung im Pulverbereich ein. Ohne ihn wären wir sicher nicht so weit.

Wie weit sind Sie denn heute?

Wir sind inzwischen mit gut 100 Beschäftigten ein gefragter Spezialist für die Verarbeitung von Schüttgütern aller Art mit einer Maschinen- und Anlagentechnik, die zum Teil einzigartig ist. Es gibt an unserem Standort Schöneck sogar eine Reinraumfertigung, die den Anforderungen der Pharma-Industrie entspricht. In Schöneck haben wir in Kooperation mit dem Gas-Spezialisten Air Liquide ein kryogenes Mahlzentrum aufgebaut, das bei Temperaturen von minus 200 Grad Celsius arbeitet und so weltweit einzigartig ist. Hier stellen wir unter anderem 3-D-Druckermaterial her sowie Spezialkunststoffe und keramische Werkstoffe, die man zum Beispiel in der Luft- und Raumfahrt benötigt.

Sie bieten also viel mehr als nur die Entwicklung verfahrenstechnischer Anlagen?

Ja. Ursprünglich wollten wir nur verfahrenstechnische Anlagen entwickeln. Aber dann fragten Kunden, ob wir auch die Lohnfertigung anbieten könnten. Das machen wir seitdem, wenn es um neue oder sehr spezielle Produkte geht, die anfangs nur in kleineren Mengen hergestellt werden, oder eine besondere Expertise beim Betreiben der Anlagen notwendig ist. So wurden wir zum strategischen Partner vieler Unternehmen, darunter das Who’s who der Großindustrie.

Was genau stellen Sie für Ihre Kunden in deren Auftrag her?

Wir sind die Spezialisten, wenn es um pulverförmige Materialien geht, die für weitere Produktionsprozesse benötigt werden. Dazu gehören chemische Zusatzstoffe, die in vielen verschiedenen Herstellungsprozessen gebraucht werden, oder auch Spezialgranulat, das man für die Produktion von extrem robusten Kabeln für Offshore-Anlagen benötigt. Und wir mahlen und bereiten Lichtschutzmaterial für die Sonnencremeproduktion auf. Das sind nur ein paar Beispiele von vielen. In mehr als 300 zum größten Teil selbst konstruierten Anlagen werden bei uns so die unterschiedlichsten Materialien gemahlen und pulverisiert, gesiebt und gemischt, verflüssigt, getrocknet oder verfestigt und zum Beispiel auch in Tabletten- oder Pastillen-Form gebracht. Und je nach weiterem Verarbeitungsweg in Silos, Big Bags oder auch kleinere Gebinde verpackt.

Warum stellen Ihre Kunden solche Spezialitäten nicht selbst her?

Unsere Anlagen sind alle genehmigt und zertifiziert, zudem haben unsere Mitarbeiter das notwendige Know-how. Bei vielen Produkten würde sich der Aufwand für unsere Kunden nicht rechnen, eigene Anlagen in Deutschland aufzubauen. Die Genehmigungsverfahren sind meist sehr kompliziert und dauern zu lange, neues geeignetes Personal ist oft schwer zu finden und die Produktion aus vielen Gründen oft teurer als im Ausland. Wir haben schon bei einigen Kunden mitbekommen, dass sie Produktion verlagern, weil in anderen Ländern vieles unkomplizierter ist. Auch wir erleben das. An unserem Standort in den USA haben wir bei den Genehmigungsbehörden einen Ansprechpartner, der uns berät und hilft, Steine aus dem Weg zu räumen. Das würde ich mir auch in Deutschland wünschen.